Inhalt:
Otto von Habsburg: Rede als Alterspräsident des Europäischen Parlamentes zur Wiederaufnahme der Sitzungsperiode am 13. Januar 1997
Robert von Dassanowsky: Würdigung zum 85. Geburtstag Otto von Habsburgs
Otto von Habsburg: Restauration und Geist
Anthony Eden im Zweiten Weltkrieg
Reichspräsident Paul von Hindenburg zu Otto von Habsburg im Januar 1933
Thomas Chaimowicz: König Davids Erbe
Wolfgang Krones: Otto von Habsburg (Auszug)
Zeitungsstimmen zum 85. Geburtstag
Politikerstimmen zum 85. Geburtstag im Kloster Andechs
Otto von Habsburg: Der Prophet Europas
Otto von Habsburg: Dankansprache zum 85. Geburtstag im Kloster Andechs
William S. Schlamm: Offener Brief an Otto von Habsburg (Auszug)
August Lovrek: Die monarchische Idee in Österreich (Auszug)
Karl von Habsburg: Der Erbe (Auszug)
Georg von Habsburg: Otto Bácsi (Auszug)
Mislav Jezic: Der Freund Kroatiens (Auszug)
Asztrik Várszegi: Ein Portait aus christlicher Sicht (Auszug)
Bernd Posselt: Eine Vision, die jeder teilen kann (Auszug)
Siegbert Alber: Das Phänomen des Parlaments (Auszug)
Ursula Schleicher: Europäer durch und durch (Auszug)
Maurice Druon: Monsieur von Habsburg (Auszug)
Thomas Chaimowicz: Mehr als ein Akademiker (Auszug)
Ingo Friedrich: Wie der Zeiger eines Kompasses (Auszug)
Severin Meister: Mein Großvater (Auszug)
Regina von Habsburg und Walburga Douglas: Der Mensch Otto von Habsburg (Auszug)
Stephan Baier: Otto von Habsburg (Auszug)
Otto von Habsburg: Rede als Alterspräsident des Europäischen Parlamentes zur Wiederaufnahme der Sitzungsperiode am 13. Januar 1997
Der Alters-Präsident - Ich erkläre die am Freitag, den 13. Dezember 1996 unterbrochene Sitzungsperiode des Europäischen Parlaments für wieder aufgenommen.
Meine Damen und Herren! Wieder einmal tritt unser Parlament zusammen, um für die nächste halbe Legislaturperiode seine führenden Funktionsträger zu wählen. Als Ältestem fällt es mir zu, diese Sitzung zu eröffnen, und Sie werden mir erlauben, da ich nämlich mit Abstand der Allerälteste in diesem Parlament bin, ein paar ganz kurze persönliche Bemerkungen zu machen.
Ich bin heute der letzte in diesem Hohen Haus, der vor dem Ersten Weltkrieg geboren wurde und sich auch noch aus eigenem Erleben an dieses epochale Ereignis erinnern kann. Ich stamme noch aus einer Zeit, die durch den Wiener Kongreß am Ende der Napoleonischen Kriege geformt wurde. Ihm verdanken wir jene lange Friedensperiode, die den unvergleichlichen Aufschwung der damaligen Zeit mit seinen Licht- und Schattenseiten hervorbrachte. Drei weitere Weltkriege habe ich persönlich miterlebt, denn der sogenannte Kalte Krieg war doch nichts anderes als der Dritte Weltkrieg. Auch war ich Zeuge zweier gottloser und daher menschenfeindlicher totalitärer Diktaturen - Stalin als Nachfolger Lenins und Hitler - ihres Aufstieges und ihres furchtbaren Endes. In dieser Zeit war es mir gegeben, mit großen Männern, die unserem Kontinent viel gegeben haben, zusammenzuarbeiten. Es begann mit dem Propheten Europas, Richard von Coudenhove-Kalergi, dem Gründer der Paneuropa-Union, der uns schon 1922 gesagt hatte, daß Europa schwer leiden würde, wenn es sich nicht zeitgerecht vereint. Er hat mit Aristide Briand und Gustav Stresemann das Ziel nur knapp verfehlt. Wäre es damals erreicht worden, hätte es uns Millionen von Toten und unabsehbare menschliche und materielle Verluste erspart. Ich hatte auch das Glück, an den Bestrebungen von Staatsmännern wie Robert Schumann, Joseph Bech, Konrad Adenauer, Charles de Gaulle und Franz Joseph Strauß beteiligt zu sein. Schließlich ist es mir gegeben, am Abend eines langen Lebens nunmehr schon 18 Jahre Bayern im Europäischen Parlament zu vertreten. Eine wunderbare Zeit, in der man jeden Tag das Gefühl hat, daß der Einsatz sinnvoll ist, ganz abgesehen von der Freundschaft mit vielen Menschen, aus vielen Nationen und Parteien, die das Verständnis für den Sinn und die Aufgabe Europas in den kommenden Jahren eint.
In dieser fast das ganze Jahrhundert umspannenden Perspektive sei es mir erlaubt, zwei Bemerkungen zu machen. Ich tue dies nicht zuletzt im Gedenken an eine der größten Reden, die ich in diesem Hause hören konnte, die Eröffnungsrede der ersten Alterspräsidentin, der großen französischen Dame, Louise Weiss, die zu lesen uns auch heute noch viel an Werten vermittelt.
Wir stehen in einer Zeit des geschichtlichen Umbruchs, der uns neue Dimensionen eröffnet. Distanzen, Raum und Zeit haben eine ganz andere Bedeutung als noch vor wenigen Jahrzehnten. Die Bedingungen unseres Lebens haben sich tiefgreifend gewandelt. Die Beziehungen zwischen Menschen und Nationen sind anders als noch vor wenigen Jahrzehnten. Wir sind demnach berufen, Politik neu zu überdenken. Wir sind mitten in einer Krise, wobei dieses Wort im Sinne seines chinesischen Schriftzeichens große Gefahr, aber auch große Chance bedeutet.
Das bedeutet eine gewaltige Verantwortung für uns, die wir die Ehre haben, Mitglieder der einzigen europäischen demokratisch gewählten Instanz zu sein. Wir können diese Verantwortung nicht auf andere abwälzen, denn ein jeder von uns hat seine Aufgabe aus freiem Entschluß übernommen, als er die Kandidatur zum Europäischen Parlament annahm. Wir sind damit gegenüber jenen, die uns ihr Vertrauen gegeben haben, in der Pflicht. Wir müssen dieser unter vollem Einsatz unserer Kräfte entsprechen. Hier müssen persönliche und private Interessen immer zurücktreten. Wir schulden unseren Wählern und der europäischen Idee unseren unbeschränkten Einsatz. Das Nichterscheinen an Arbeitstagen, und Sie werden es mir erlauben, weil es mein Steckenpferd ist, einschließlich des Freitags, läßt sich nicht rechtfertigen, wollen wir glaubwürdig bleiben. Gewiß wird es Fälle höherer Gewalt geben, die aber seltene Ausnahmen bleiben müssen.
Unsere historische Verantwortung gilt allen Europäern, wenn wir in der Europäischen Union mehr sehen als einen großen Markt und einen Club reicher Nationen.
Das vereinte Europa muß die Heimat aller Europäer sein, auch derjenigen, die heute noch nicht unserer Union angehören, die aber am vereinten Europa mitarbeiten wollen. Unsere Tore müssen für sie stets offen bleiben. Wir müssen dafür einstehen, daß diese Europäer, sobald sie den Grundbedingungen Europas entsprechen, ein Recht darauf haben, unverzüglich auch die Mitgliedschaft der Europäischen Union zu erhalten.
Das ist nicht nur eine Pflicht, es ist auch unser Interesse. Ein großer europäischer Abgeordneter und vielen unter uns Kollege, der verewigte Dr. Heinrich Aigner, hat es so formuliert: "Europa ist der einzige realistische Friedensgedanke!" Er hat damit zum Ausdruck gebracht, daß wir nicht an erster Stelle ein großer Markt oder eine Wirtschaftsgemeinschaft sein sollen, sondern eine Sicherheitsgemeinschaft, die uns und vielen anderen Völkern ein Garant des Friedens ist. Europa ist nicht nur Paris, London, Madrid, Rom, Berlin, Luxemburg, Brüssel, Den Haag, Lissabon, Wien, Helsinki, Dublin, Kopenhagen, Athen oder Stockholm, sondern ebenso Budapest, Prag, Warschau, Ljubljana, Vilnius, Riga, Tallin, Bratislava, Zagreb, Bukarest, Kiew, Skopje, Sofia, Sarajewo, Tirana, Vaduz, La Valletta, Nicosia, Oslo, Bern und Belgrad. Auch für die Bürger dieser Städte, für die Einwohner der mittel- und osteuropäischen Länder muß das sich vereinigende Europa offen bleiben.
Die Europäische Union darf kein geschlossener "Club der glücklichen Nationen" werden, vor dem der tschechische Präsident Václav Havel kürzlich gewarnt hat. Es hieße, die Idee Europa verraten, wenn wir nun, nachdem der militärisch begründete "Eiserne Vorhang" gefallen ist, unsererseits in der Mitte Europas eine neue Wohlstandsgrenze entstehen ließen. Man hört, die Erweiterung würde uns teuer zu stehen kommen. Gewiß, alle guten Dinge sind teuer, aber in einer gefährlichen Welt steht an erster Stelle die Sicherheit, und diese kann uns nur ein geeintes Europa geben. Die Erfahrung lehrt uns, daß ein Tag Krieg mehr kostet an menschlichem Elend und wirtschaftlicher Vernichtung als ein ganzes Jahr der Ausgaben für die Friedenserhaltung. Auch sagt uns ein weises französisches Sprichwort: "Plaie d'argent n'est jamais mortelle." Andere Dinge sind tödlich!
Meine Damen und Herren, die Aufgabe, die unser harrt, ist gewaltig. In diesem Haus sind wir berufen, Geschichte zu machen. Das schulden wir unseren Völkern und einem jeden unserer Wähler. Dieser Verpflichtung müssen wir entsprechen. Eine herrliche, aber auch schwere Aufgabe. Viel wird sich in den nächsten zweieinhalb Jahren entscheiden. Und dafür tragen wir die Verantwortung.
Auf diesem Weg wünsche ich uns allen Gottes reichsten Segen, uns und jenen Frauen und Männern, die Sie in den nächsten Stunden zu hohen Ämtern berufen werden.
Und nunmehr, an die Arbeit!
(Internet-Seiten des Europäischen Parlamentes)
Robert von Dassanowsky: Würdigung zum 85. Geburtstag Otto von Habsburgs
In Los Angeles, fern von Wien und München, wurde ich vor mehr als fünfzehn Jahren als in den USA geborener Student Mitglied der Paneuropa Jugend und der Paneuropa Aktion Österreich, wie sie damals noch hieß. Als Amerikaner österreichischer Herkunft schien es mir natürlich und angebracht, für ein freies, christliches und vereintes Europa zu arbeiten. Ich hielt es für meine Aufgabe, als Studentenaktivist österreichische, deutsche und andere europäisch-amerikanische Gruppen in den USA mit unseren Zielen vertraut zu machen, denn die kulturelle und geistige Verbindung mit Europa bestand auch für mich noch, der ich - wie viele Amerikaner der ersten Generation - mit Identitätsproblemen zu kämpfen hatte. Jedoch besaß ich, im Unterschied zu vielen, einen ausgeprägten Sinn für das kulturelle Erbe meiner Familie und die daraus entstehenden Verpflichtungen. Ich habe meinen Willen zu diesem Engagement auch dem Einfluß meiner Mutter zu verdanken, die ihrerseits durch ihre Firmpatin, Erzherzogin Adelheid, zu Pioniertaten inspiriert wurde. Die Worte Erzherzog Ottos haben mich ständig begleitet und motiviert: "Wenn man an etwas glaubt, muß man dafür handeln, ganz gleich, welche Rolle man dabei spielt. Man widmet sich ja nicht der Politik, um eine gewisse Stelle zu besetzen, sondern um bestimmte Ideen durchzusetzen."
In vieler Hinsicht hat auch Seine Kaiserliche Hoheit österreichisch-amerikanische Erfahrungen gesammelt, und seine Leistungen während dieses turbulenten Zeitabschnittes werden von den Geschichtswissenschaftlern in den USA sehr gepriesen. Zeitgenössische Studien Österreichs befassen sich oft mit der Rolle, die das Kaiserhaus und Erzherzog Otto mehrfach gespielt haben, als es dreimal um die Rettung Österreichs und Mitteleuropas ging. Es steht außer Zweifel, daß die Ziele, die Erzherzog Otto im Namen Österreichs und Mitteleuropas während seines Exils in den USA verfolgte, den Weg in eine bessere Nachkriegswelt ebneten; so zum Beispiel der Plan zum Wiederaufbau eines freien und unabhängigen Österreichs und die internationale Durchsetzung der Einsicht, daß das Land der aggressiven Invasion zum Opfer gefallen war; der Entwurf eines freien österreichischen Bataillons und die weitgehende Verhinderung von Bombenangriffen auf Österreich; die amerikanische Besetzung des befreiten Landes; die Auflösung der ungarischen Allianz Hitlers und die Unterbindung der sowjetischen Besatzung Ungarns; schließlich die Verhinderung der Vertreibung von Sudetendeutschen und anderen ethnischen Minderheiten aus ihrer Heimat. Zusammen mit seinen Brüdern vertrat Erzherzog Otto österreichische Interessen während des Zweiten Weltkrieges. Sogar ohne die Hilfe eines österreichischen Bataillons führte auch Erzherzog Rudolf seine Arbeit fort. Als Soldat der U.S. Armee drang er 1944 in die feindlichen Linien vor. Es gelang ihm, nach seiner Gefangennahme zu entkommen, und trotz einer Verwundung kämpfte er auch innerhalb des Reiches aktiv gegen das Naziregime. Erzherzog Robert verfaßte zusammen mit Winston Churchill die Moskauer Deklaration, jenes Dokument, das für Österreich den Weg in die Freiheit bedeutete. Erzherzog Felix reiste von Europa in die USA und nach Südamerika, um den Grundstein für eine österreichische Regierung und seine Repräsentanten im Exil zu legen. Erzherzog Karl Ludwig stellte als Vertreter der Alliierten Kontakte von Lissabon bis Washington D.C. her und arbeitete unentwegt an einer besseren Zukunft für Ungarn und Mitteleuropa. Unterstützt von Ihrer Majestät und den Erzherzoginnen, beschwor Erzherzog Otto unermüdlich Präsident Roosevelt, den Opfern der Nazis seinen Schutz zu gewähren und dem Blutbad ein Ende zu setzen. Es gelang, eine solide Basis für den Wiederaufbau Österreichs zu schaffen, in dem sie das Verlangen nach einer österreichischen Nation intensivierten, um dem Land endlich zu der Existenz zu verhelfen, die schon von den Kanzlern Dollfuß und Schuschnigg geplant war. Die Leistungen Erzherzog Ottos schlossen aber auch seine Bemühungen zur Rückgabe Südtirols mit ein sowie die Normalisierung der Verhältnisse innerhalb Mitteleuropas. Er führte, wie es General de Gaulle für Frankreich unter dem Banner des Lothringerkreuzes getan hatte, einen Kreuzzug für die Wiedergeburt Österreichs. So wie die atheistische Herrschaft in der Sowjetunion schließlich dem Verfall preisgegeben war, so fällt nun auch endlich die Maske, die diese großen Beiträge Otto von Österreichs zu Geschichte bisher aus kleinlicher Gewinnsucht verborgen hat.
Der Name ist nicht nur mit der kaiserlichen und königlichen Dynastie verbunden, und somit für Historiker wichtig, er steht auch stellvertretend für politisches Engagement im Rahmen Mitteleuropas. Das Zentrum für österreichische Studien der Universität von Minnesota, der amerikanische Bund für ungarische Geschichte und die Gesellschaft für österreichische und habsburgische Geschichte gehören zu den wichtigsten Organisationen, die sich in der Habsburg-Webseite zusammengeschlossen haben. Die Habsburg-Webseite wird von Geschichtswissenschaftlern von vier Universitäten geleitet und befaßt sich sowohl mit der Habsburgermonarchie als auch mit der Geschichte ihrer Besitzungen und deren Völker, vom Jahre 1500 bis zur Gegenwart. Aber auch Steven Spielberg, Amerikas beliebtester und erfolgreichster Regisseur, versetzte den jungen Indiana Jones (bekannt aus der Filmtrilogie) ins Wien des Ersten Weltkrieges, mitten in den heldenhaften Versuch Kaiser Karls, Österreich-Ungarn aus dem Krieg zu retten. Eine Szene der Fernsehserie, die zwischen der Kaiserin Zita und ihren Kindern spielt, blieb mir deutlich im Gedächtnis haften. Ihre Majestät gibt Erzherzog Otto und Erzherzog Adelheid den Rat, nicht um ein Spielzeug zu streiten und es durch diesen Zustand der Uneinigkeit zu zerstören. Es wird deutlich, daß die Botschaft der Donaumonarchie heute in Post-Sowjet-Europa und Amerika ebenso einflußreich ist, wie sie es in Mitteleuropa immer war.
Erzherzog Otto hat vielen Menschen Hoffnung auf eine gute Zukunft gegeben. Durch den Grundgedanken eines wiedererstandenen Österreichs bis hin zur Verfechtung des Konzeptes der "Donaurekonstruktion", die er schon im Jänner 1942 dem Kongreß der USA vorlegte, setzte er sich für das Land ein. Von der Weiterführung der internationalen Expansion der Ideale Graf Richard Coudenhove-Kalergis als Präsident der Paneuropa Union bis zum Einsatz als ein einflußreicher und unermüdlicher Vertreter der CSU im Europaparlament; von der brillant ausgearbeiteten Forderung an die Sowjetunion, die die Entkolonialisierung der Baltikstaaten anhand der United Nations Charter verlangte, bis zum jahrzehntelangen Dialog mit jenen Menschen, die hinter dem Eisernen Vorhang eingeschlossen waren, der Erfolg Erzherzog Ottos wird offenkundig angesichts des Zerfalls des totalitären Sowjetsystems, der sich wiederum auf den apostolischen Einfluß des Papstes und der paneuropäischen Leitfigur Otto von Habsburgs zurückführen läßt. Otto von Habsburg wird auch im nächsten Jahrhundert Licht in das Dunkel politischen Geschehens werfen, so wie er einst seinen felsenfesten Glauben an den Frieden durch das vom Krieg zerrissene Europa trug. Er hat schließlich auch eine neue Generation der kaiserlichen und königlichen Familie erzogen, die nun wiederum Österreich und Ungarn vertritt, und sie auf der Weltbühne eingeführt.
Am heutigen Tag, an dem wir in die Vergangenheit, aber auch in die Zukunft blicken, müssen wir ganz klar erkennen, daß Österreich wohl hauptsächlich aufgrund des unermüdlichen Einsatzes dieses großen Mannes existiert. Wie sind seinetwegen unserer Aufgabe sicher und glauben nicht nur an eine Zukunft Mitteleuropas, sondern Europas schlechthin, denn beide befinden sich nun endgültig auf dem Weg zu ihrer wahren Identität und ihrem wahren Ziel. Mit größter Hochachtung und aufrichtiger Bewunderung im Namen nicht nur meiner Generation, sondern all jener, die sowohl das Vorbild als auch die Worte und Leistungen Otto von Österreichs zu schätzen wissen, wünsche ich Gottes Schutz und Segen für unseren Hohen Herrn nicht nur an diesem 85. Geburtstag, sondern auch für seine Zukunft und sein ferneres Wirken.
(Artur Schuschnigg (Hrsg.): Mit des Geistes heit´ren Waffen. Österreich im Wandel der Zeit; Amalthea 1997)
Otto von Habsburg: Restauration und Geist
Konservative, also Menschen, die nicht auf die Ideologien der Französischen Revolution eingeschworen sind, müssen es sich immer wieder gefallen lassen, als restaurativ und reaktionär verleumdet zu werden. Solche Anwürfe sind grotesk. Ein Konservativer lebt aus seiner religiösen Überzeugung und der Erfahrung der Geschichte. Schon deshalb weiß er, daß alles Irdische vergänglich ist. So kommt er gar nicht darauf, sich wie der Materialist an veraltete Formen zu klammern.
Die Restauration von Äußerlichkeiten ist noch niemals geglückt. Nicht auf diese kommt es an, sondern auf die dauernd gültigen Werte. Sie verbinden die Generationenkette der Verstorbenen, der Lebenden und der Ungeborenen. Die Anhänger der Reichsidee wollen keineswegs zurück in die Zeit vor 1806, selbst wenn sie das könnten. Sie versuchen lediglich, den Schatz einer reichen Überlieferung zu mehren und weiterzugeben, um so zu rechtfertigen, daß dieses wertvolle Erbe auf sie überkommen ist.
Das Reich Gottes ist nicht von dieser Welt. Keine noch so vollkommen durchdachte politische Ordnung kann es ins Diesseits herüberholen; sie sollte aber danach streben, möglichst viel davon widerzuspiegeln. Das ist bei den gegenwärtigen Zuständen meist nicht der Fall. Der geistige, religiöse und moralische Fortschritt hat mit dem materiellen Höhenflug nicht Schritt gehalten. Jede Enträtselung der Natur schenkt dem Menschen einen weiteren Teil von Gottes Allmacht, allerdings nur im Negativen. Er kann zwar nichts erschaffen, aber seine Welt vernichten. Ein solches Potential ist jedoch nur zu verkraften, wenn man innerlich im Glauben und in der Tradition verankert ist. Das gilt besonders für den politisch Handelnden. Wer jemals Gelegenheit hatte, im öffentlichen Leben zu stehen, weiß, daß Macht für denjenigen, der sie besitzt, zerstörend sein kann. Sie gibt vielen Menschen das Gefühl der Unbeschränktheit, erzeugt in ihnen die Wahnidee, wie der Übermensch Nietzsches jenseits von Gut und Böse zu sein. Wenn die Reichsidee dazu dient, diese Versuchung zu bändigen, erfüllt sich ihre Mission, die auch heute weiterbesteht. Wer das als restaurativ abkanzelt, hilft dadurch der menschlichen Willkür Tür und Tor zu öffnen.
Die Gestalt des Reiches war immer wieder Wandlungen unterworfen. Nicht so seine Seele, um die die verschiedensten Mächte ringen.
(Otto von Habsburg: Die Reichsidee. Geschichte und Zukunft einer übernationalen Ordnung; Amalthea 1987)
Anthony Eden im Zweiten Weltkrieg
Was ist schon Österreich? Fünf Habsburger und ein paar hundert Juden.
(Erich Feigl: Otto von Habsburg. Profil eines Lebens; Amalthea 1992)
Reichspräsident Paul von Hindenburg zu Otto von Habsburg im Januar 1933
Wissen Sie, Majestät, hier in Berlin hat überhaupt nur ein Mensch habsburgfeindliche Gefühle, aber der ist Österreicher. Nun, eben dieser böhmische Gefreite ...
(Emilio Vasari: Dr. Otto Habsburg oder Die Leidenschaft für Politik; Herold 1972)
Thomas Chaimowicz: König Davids Erbe
Der wahre Gesellschaftsvertrag besteht nicht zwischen den Angehörigen einer Generation allein - also vertikal -, sondern zwischen dem Schöpfer und einer ganzen Kette, gebildet aus den Toten, den Lebenden und den noch Ungeborenen der Zukunft, Geschöpfe, die weder im Revolutionsjahr von 1789 noch in jenem von 1918 befragt wurden. Die Modetorheit des Augenblicks dominierte und besiegte (wohl nur vorübergehend) die Weisheit vieler Generationen.
Ein britisch-amerikanischer Pamphletenschreiber namens Thomas Paine (+ 1809 in New York), ein rabiater, weil wissensmäßig und an Erfahrung unterlegener Gegner Edmund Burkes, notierte in seiner Schrift "Common Sense", daß die Monarchie "die sündige Hinterlassenschaft der Juden" sei. Im 19. Jahrhundert bestätigte Benjamin Disraelis Wirken die Richtigkeit dieser "sündigen Hinterlassenschaft", indem er die Idee der demokratischen Monarchie ins Leben rief und von der Tory Democracy sprach, dem Judentum und der Kirche (er war ein Bewunderer Loyolas) die Rolle der Hauptstützen des konservativen Gedankens überhaupt zudachte. Thomas Paines "Sünde der Juden" war auch im alten Österreich präsent, in jenem fernen Kronland Galizien, aus dem meine Vorfahren stammen. Der Kaiser in Wien trug die Krone Davids, er war der Gesalbte, an den man nicht Hand anlegen durfte, den zu verbannen ein Delikt gegen die religiöse Überzeugung war, ähnlich wie für die Katholiken, die nicht ihrem Glauben untreu geworden sind. Es sind stets Renegaten, die derartige Thesen in Zweifel ziehen. Ich selbst bekenne mich als Staatswissenschaftler zur österreichischen Kaiseridee, zur Monarchie des Hauses Österreich, die weiterlebt, die sich, wie Joseph Roth es so schön sagte, "ins Metaphysische verflüchtigt" hat. Die Krone des Kaisers ist unsichtbar geworden für jene, die nur die Oberfläche zu sehen vermögen; Joseph Roth sah in Otto von Habsburg den "Kaiser mit der unsichtbaren Krone auf dem Haupt". Es kann eine lange Zeit vergehen, bis wieder sichtbar wird, was sich jetzt im Nebel der Begriffsverwirrung den meisten (sich für informiert haltenden) Menschen verbirgt. Es liegt in der Hand Gottes, diesen Zeitpunkt zu bestimmen, es liegt an uns und unseren Nachfahren, einen solchen Augenblick, der von einem breiten Konsens getragen werden muß, nicht vorübergehen zu lassen.
Die Vernunft der geschichtlichen Beispiele, der Staatslehre und der Philosophie fallen hier mit jener Gnade Gottes zusammen, ohne die es kein gerechtes, sich an ewigen Normen orientierendes Regiment auf Erden geben kann, folglich auch keine Freiheit, die ja letztlich ein sittlicher Begriff ist.
Vor etwas weniger als vierzig Jahren saß ich, damals ein eben promovierter Absolvent der Jesuitenuniversität in Bogotá, mit meinem alten Lehrer Don José Prat, dem letzten Präsidialchef der spanischen Republik, bei einem unserer häufigen Gespräche im Kaffeehaus. Er hatte meine Dissertation gelesen, die mit einem Aufruf zur Rückkehr zur Monarchie in Staaten mit monarchischer Tradition endete; ich war auf Skepsis des spanischen Republikaners und Sozialisten gefaßt. Sein Kommentar lautete: "Vielleicht haben Sie recht, die Republiken führen zur Tyrannis." Als er diese Idee in Form einer Besprechung meiner Dissertation in seiner Kolumne einer liberalen Tageszeitung erklären wollte, wurde sein Beitrag zum ersten Mal nicht angenommen ...
(Erich Feigl: Otto von Habsburg. Profil eines Lebens; Amalthea 1992)
Wolfgang Krones: Otto von Habsburg (Auszug)
Otto von Habsburg ist bereits zu Lebzeiten zu einem Monument geworden. Zum Monument, an dem sich die libertairen Kleingeister aus Politik, Gesellschaft und Kirche reiben. In ähnlicher Weise, wie es Papst Johannes Paul II. (dessen Sympathien für Otto bekannt sind), Ronald Reagan und Franz Josef Strauß sind bzw. waren hat Otto von Habsburg als Konservativer entscheidend in der Weltgeschichte "mitgemischt". Wenn er manchmal im kleinen Kreis auf sein Arbeitspensum und auf sein Alter angesprochen wird und sodann humorvoll seinen berühmten Vorfahren zitiert ("Ich habe alle meine Gegner überlebt."), so mag dies für Ottos Anhänger eine Hoffnung für noch viele weitere Jahre der Aktivitäten für ein christliches Europa sein.
Als der Habsburger bringt Otto nämlich noch andere Erblasten mit: Den Arbeitseinsatz seines Großonkels Kaiser Franz Josef, den Humor und die Weltoffenheit der Kaiserin Maria Theresia, die Zielstrebigkeit von Karl V., die Gläubigkeit seines Vaters Kaiser Karl I. Vor allem mit der als erster genannten Eigenschaft haben die meisten seiner Mitarbeiter ernste Probleme. Denn tagtäglich beginnt sein Tagwerk um 5.30 Uhr mit dem Diktieren von Briefen und Manuskripten, läuft weiter ab mit Diskussions-, Sitzungs- und Arbeitstagungen und endet mit manchesmal täglich ein bis drei Nachmittags- und Abendveranstaltungen.
(Paneuropa-Österreich Nr. 11/1997)
Zeitungsstimmen zum 85. Geburtstag
Ein 85 Jahre alter Herr, quicklebendig, unterhaltsamer als die gesamte aktive österreichische Politiker-Generation ... (Die Presse)
Es ist nicht leicht, ihn mit Neuigkeiten zu überraschen, denn wenn er in Straßburg kurz nach 7 Uhr beim Frühstück sitzt, dann hat er bereits Radionachrichten gehört und internationale Zeitungen gelesen. Dann beginnt ein 14- oder 16stündiger Arbeitstag, bei dem er so manchen Jüngeren auf der Treppe (aufwärts!) überholt. (Dolomiten)
Otto von Habsburg hat viel getan, damit Österreich wieder auf der Landkarte aufscheint, hat dafür US-Präsident Roosevelt und den englischen Premier Churchill gewonnen. Gedankt hat ihm die Republik nicht - ein typisch österreichisches Schicksal. (Krone)
Politikerstimmen zum 85. Geburtstag im Kloster Andechs
Er kommt morgens aus dem Büro immer noch frischer als ein Jungsozialist morgens aus dem Bett. (Siegbert Alber)
Ich wünschte, alle 18jährigen hätten das Engagement und den jugendlichen Elan dieses 85jährigen. (Theo Waigel)
Otto von Habsburg: Der Prophet Europas
Vor sechs Jahrzehnten, im Gefolge des Ersten Weltkrieges, sind auf den Trümmern des alten Europa Propheten aufgestanden, die nicht nur das Verlorene beweinten wie einst Jeremias, sondern auch die Gegenwart scharfsichtig beurteilten und den Weg in eine bessere Zukunft wiesen. Unter diesen sind zwei Männer an erster Stelle zu nennen: der Franzose Jacques Bainville mit seinem Buch "Les consequences politiques de la paix" und der Österreicher Richard von Coudenhove-Kalergi mit "Paneuropa".
Bainville hat mit erschreckender Klarheit die Fehler der Friedensmacher aufgezeigt und die Folgen vorausgesagt. Die Analyse Coudenhoves war der Bainvilles verwandt, aber ihm ging es vor allem darum, das Unheil, das er nahen sah, zu bannen und Europa zu retten, bevor es zu spät war.
Dabei schöpfte der Egerländer aus der Tradition des Donau-Raumes. Seine Heimat war ein Vielvölkerstaat, der es gewagt hatte, im Zeitalter des Nationalismus an der großen reichischen Tradition festzuhalten. Österreich-Ungarn war an dieser übermenschlichen Aufgabe zerbrochen. Aber Coudenhove blickte weiter als auf die Trümmer und erkannte, daß die höheren übernationalen Werte nicht endgültig zerstört waren, sondern für eine bessere Zukunft und neue Formen bewahrt werden mußten. Früher als andere wußte er, daß wirkliche Lösungen in unserem Jahrhundert nur noch großräumig gefunden werden können, daß es also darum ging, den Geist zu bewahren, aber ihn im Sinne einer "translatio imperii" auf den ganzen Erdteil zu übertragen.
Man hat Coudenhove einen Utopisten genannt, dabei war er weit mehr Realist als seine Zeitgenossen. Sein Werk wäre fast im ersten Anlauf gelungen, Paneuropa hätte uns den blutigen Zweiten Weltkrieg und die Teilung Europas erspart.
Da man zu wenig auf Coudenhove hörte, mußten wir diese schrecklichen Stationen unserer Geschichte durchlaufen. Kaum war aber 1945 der letzte Schuß gefallen, ging der Prophet Paneuropas wieder an die Arbeit. Seinen Gedanken und Initiativen verdanken wir viele der Fortschritte, die in den letzten Jahrzehnten gemacht wurden. Darum sind wir heute in die Ära des politischen Europa, mit der Europäischen Gemeinschaft als Ausgangspunkt, gelangt.
Selten ist es möglich, ein politisches Kampfbuch nach sechs Jahrzehnten neu aufzulegen. Zu viel ist inzwischen geschehen. Wenn man heute das erste Buch des damals noch blutjungen Coudenhove wiederum erscheinen lassen kann, zeigt das seinen zeitlosen Wert. Es gehört heute zum geistigen Erbe Europas und bleibt Wegweiser in die Zukunft. Denn wenn auch ein Teil des Werkes vollbracht ist, bleibt noch viel zu tun. Aber die Tatsache, daß sich schon so viele von Coudenhoves Gedanken als richtig erwiesen haben, festigt die innere Überzeugung, daß wir uns auf dem guten Weg befinden.
Grund mehr, fest anzupacken und das zu vollenden, was uns der Prophet Europas aus der Ferne als Ziel gewiesen hat.
(Vorwort aus Richard N. Coudenhove-Kalergi: Pan-Europa; Pan-Europa-Verlag 1982)
Otto von Habsburg: Dankansprache zum 85. Geburtstag im Kloster Andechs
Liebe Freunde! Ich möchte nun auch noch ein paar Worte dazu sagen, um Ihnen von ganzem Herzen zu danken. Wissen Sie, wie ich so jetzt unter Sie geschaut habe, habe ich mir gesagt: Es sind heute so einige Artikel erschienen von angeblichen oder wirklichen Leistungen, die ich vielleicht in einem Laufe eines langen Lebens erbracht habe. Aber ohne Freunde wie Ihnen wär es niemals gelungen. Es ist das unser Werk, unser gemeinsames Werk, das wir immer weiter getrieben haben. Und wenn wir jetzt zurückblicken auf diese langen Jahre, müssen wir sagen, es ist doch erfüllt worden. Und dafür möchte ich Ihnen von ganzem Herzen danken - denn wir haben die Aufgabe, unsere Pflicht noch nicht ganz erfüllt. Und gerade all diejenigen, die am Anfang dabei waren, die Getreuen, die die schwierigsten Durststrecken durchgestanden hatten, die sind weiter gefordert. Es ist zwar nicht schön, es Ihnen zu sagen; man sollte sagen: Jetzt ist es erreicht. Aber wir haben uns ein hohes Ziel gesteckt; und ein hohes Ziel - wie so ein Baum, auf den man hinaufklettern muß - ist ein weiter Weg. Und auf diesem Weg möchte ich Ihnen danken, möchte Ihnen sagen, wie sehr Sie bisher so vieles selbstlos geleistet haben. Und ich möchte nur abschließend sagen: Gott segne Sie alle, denn Sie haben wirklich für ein Ideal gut zusammengearbeitet. Es ist unser gemeinsamer Erfolg und unsere gemeinsame Aufgabe, die weiterbesteht. Ich danke Ihnen!
(Ton-Mitschnitt durch TWS)
William S. Schlamm: Offener Brief an Otto von Habsburg (Auszug)
Als wir beide Kinder waren, hatten Geschichte und Schicksal Sie dazu bestimmt, mein Kaiser zu werden. In meinem langen und bewegten Leben, das mich jahrzehntelang mit der sogenannten Prominenz unserer Zeit in Berührung brachte, habe ich keinen Staatsmann, keinen Politiker, keinen Denker von Ihrer Menschlichkeit, Ihrem Pflichtbewußtsein, Ihrer unerschütterlichen Glaubensfähigkeit kennengelernt. Wären Sie das geworden, wozu Sie bestimmt worden waren, dann hätte das Abendland den bedeutendsten Kaiser seit Karl dem Großen erlebt. Weil aber 1918 das Abendland aus den Fugen geriet, hat heute Europa in Ihnen den einzigen Staatsmann, dem es vertrauen kann.
(Walburga Douglas, Stephan Baier (Hrsg.): Otto von Habsburg. Ein souveräner Europäer; Amalthea 1997)
August Lovrek: Die monarchische Idee in Österreich (Auszug)
1. Was wollen die österreichischen Monarchisten?
Sie wollen die Wiedereinführung der verfassungsmäßigen, erblichen Monarchie unter dem legitimen Thronerben Dr. Otto von Habsburg-Lothringen.
2. Was heißt "verfassungsmäßige" Monarchie?
Verfassungsmäßige Monarchie ist jene Form der Monarchie, in welcher der Monarch nicht allein und unumschränkt die Herrschaft ausübt, sondern in der auch das Volk, entsprechend den Grundsätzen der Demokratie, berufen ist, durch seine gewählten Vertreter an der Herrschaft mitzuwirken.
Rechte und Pflichten des Monarchen sowie Art und Weise der Mitwirkung des Volkes werden in einer Verfassungsurkunde festgelegt.
4. Warum wollen wir die erbliche Monarchie?
Die Erblichkeit der Thronfolge ermöglicht es, den Thronfolger schon von Jugend an für sein verantwortungsvolles Amt zu erziehen.
Sie gewährleistet beim Tode des Herrschers einen geordneten und erschütterungsfreien Übergang der Regierungsgewalt an seinen vorausbestimmten Nachfolger.
Sie schließt die Möglichkeit eines Thronwechsels zugunsten des nächsten Anwärters nicht aus, falls sich ein Herrscher seiner hohen Aufgabe nicht voll gewachsen erweisen sollte (vgl. Den Thronverzicht Kaiser Ferdinand I. zugunsten Kaiser Franz Joseph I. im Jahre 1848).
Die erbliche Monarchie hat sich in Österreich unter dem Hause Habsburg durch mehr als 6 Jahrhunderte bewährt und Österreich zu Größe, Wohlstand und langen Perioden des Friedens geführt. Sie war und ist in den monarchisch regierten Staaten die Regel, während die Form der Wahlmonarchie eine seltene Ausnahme darstellt.
5. Kommt die Wahlmonarchie für Österreich in Frage?
Nein. Die Walmonarchie läßt alle oben angeführten Vorteile vermissen. Die nach dem Tode des Herrschers notwendige Wahl eines Nachfolgers setzt das Land jedesmal der Gefahr schwerer Erschütterungen durch Parteikämpfe aus. Sie zwingt die Bewerber um die Nachfolge dazu, den Wählern, deren Unterstützung sie, um gewählt zu werden, benötigen, Versprechungen und Zugeständnisse zu machen und so die für den Herrscher unerläßliche Unabhängigkeit und Überparteilichkeit von vornherein aufzugeben. ...
12. Welche Vorteile erwarten wir von der Monarchie?
Die Erfahrungen seit der Zerstörung der österreichisch-ungarischen und anderen Monarchien haben klar bewiesen, daß in Europa Freiheit und Menschenrechte in den Monarchien in besserer Hut sind als in Republiken. ...
... In der Gestalt Dr. Otto von Habsburgs, des Chefs des Hauses Österreich, besitzen wir eine Persönlichkeit, die alle Eigenschaften eines modernen Monarchen in hervorragendem Maße in sich vereinigt.
Tiefgläubig und hochbegabt, ist er sozial und fortschrittlich eingestellt. Umfassend gebildet, Doktor der Staats- und Sozialwissenschaften der Universität Löwen, beherrscht er neben dem Deutschen die Weltsprachen Französisch, Englisch und Spanisch sowie fast alle Sprachen der alten Monarchie. Durch seine zahlreichen Studienreisen kennt er nahezu die ganze Welt und ihre maßgebenden Staatsmänner. ...
16. Warum wird in Österreich keine monarchistische Partei gegründet?
Der Monarch, der auf das Wohl aller Staatsbürger ohne Unterschied er Partei in gleicher Weise bedacht ist, steht über den Parteien.
Der monarchische Gedanke ist daher seiner Natur nach ein überparteilicher. Er hat seine Anhänger in allen ernst zu nehmenden Parteien und kann nicht von einer Partei allein in Anspruch genommen werden.
21. Was ist zur Frage der Einheit des Donauraumes zu sagen?
Die Zerschlagung der Donaumonarchie hat das wirtschaftliche und politische Gleichgewicht im Donauraum und darüber hinaus das ganz Europas zerstört. Sie hat allen auf dem Boden der alten Monarchie entstandenen Staaten wirtschaftlichen Niedergang und den Verlust der Freiheit gebracht. Diese Auffassung ist heute Gemeingut der ganzen freien Welt. Neben französischen und amerikanischen Staatsmännern hat insbesondere auch der große englische Staatsmann Churchill die Zerstörung der österreichisch-ungarischen Monarchie als schweren Fehler gebrandmarkt und das Schicksal der Nachfolgestaaten mit den Qualen der Verdammten in der Hölle verglichen. ...
(Selbstverlag des Autors 1953)
Karl von Habsburg: Der Erbe (Auszug)
Eines weiß ich mit Sicherheit: Es wird nicht leicht sein, das Erbe eines Mannes anzutreten, der eine solche Fülle von Erfahrungen gesammelt und sie mit dem Erbe, das er trägt, zu einem fulminanten Lebensbild zusammengefügt hat. Andererseits weiß ich aber, daß mein Vater alles daran gesetzt hat, mir als ältestem Sohn und Erben möglichst viele dieser Erfahrungen und Wertvorstellungen, die er für bedeutsam hält, weiterzugeben. Vielleicht nicht einmal unbedingt, um hochgesteckte Ziele zu erreichen, sondern vielmehr, um einer Überzeugung meines Vaters Genüge zu tun: Es sind beim jüngsten Gericht nicht die Erfolge, die zählen. Ziel muß es sein, am Ende des Lebens rückblickend sagen zu können: Ich habe stets mein Möglichstes versucht, mein Bestes gegeben und meine Ideale nicht verraten.
(Walburga Douglas, Stephan Baier (Hrsg.): Otto von Habsburg. Ein souveräner Europäer; Amalthea 1997)
Georg von Habsburg: Otto Bácsi (Auszug)
Es war der 2. April 1989, als ich zum erstenmal mit meinem Vater nach Ungarn einreiste. Der Anlaß dieser Reise war alles andere als fröhlich, da wir zur Seelenmesse für meine Großmutter, Kaiserin und Königin Zita, fuhren, die am Tag zuvor in Wien beigesetzt worden war. Leider konnte ich bei der ersten Reise Ende 1988 nicht dabei sein, da ich zu jener Zeit in Spanien war und so meine Mutter und meine Schwester Walburga diesen historischen Besuch, der sehr privat gehalten war, allein vorbereiteten.
In Budapest angekommen, wohnten wir im Hotel Gellert; mir fiel auf, mit welch ungeheurem Respekt und mit welcher Bewunderung mein Vater überall begrüßt und behandelt wurde. Als wir am nächsten Tag zur Krönungskirche fuhren, sahen wir schon auf dem Weg den Burgberg hinauf Menschenmassen in Richtung Kirche ziehen. Oben angekommen, war es fast unmöglich, vom Wagen in die Sakristei zu kommen, da so viele Menschen den Weg versperrten in der Hoffnung, einen Blick auf die Familie werfen zu können. Von unseren Plätzen im Chorgestühl konnten wir dann etwas sehr Bemerkenswertes beobachten. Da viel mehr Menschen erschienen waren als jemals in die nicht gerade kleine Kirche gepaßt hätten, entwickelte sich eine Art Rundlauf, wobei immer wieder Leute in die Kirche hereinkamen und andere hinausgingen, um bald darauf wieder hereinzukommen. So hatte jeder die Möglichkeit, wenigstens bei einem kurzen Teil der Messe dabeizusein. Nach der durch Kardinal Paskai zelebrierten Messe gab es erneut Probleme, nämlich meinen Vater aus der Kirche in Richtung des Hotels Hilton zu bringen, in dem ein Empfang vorgesehen war. Wer Budapest kennt, wird wissen, daß dies normalerweise keine Anstrengung sein sollte, da die beiden Gebäude ja nur wenige Meter auseinanderliegen. Dies kann aber unüberwindlich werden, wenn eine geschlossene Menschenfront den Weg versperrt; alle hatten den Wunsch, meinen Vater wenigstens kurz aus der Nähe zu sehen. So ergab sich die Situation, daß wir uns in eine ganz andere Richtung auf die Fischerbastei zubewegten, da von der Höhe der Mauer jeder die Familie und wir jeden sehen konnten. Oben angekommen, begannen die Menschen spontan die ungarische Hymne zu singen, die sich seit der Monarchie nicht verändert hat, und ein ohrenbetäubender Applaus brach aus. Nach einem sehr langen und beschwerlichen Weg erreichten wir dann auch das Hotel Hilton, in dem sich viele ungarische Freunde zusammengefunden hatten. Nach einer Stunde kam der Hoteldirektor und berichtete, daß noch immer mehrere hundert Menschen vor dem Hotel warten würden. Auf unsere Frage, ob es nicht ein Fenster im Hotel in Richtung Straße gebe, das man öffnen könnte, um sich den Wartenden zu zeigen, kam die Antwort, daß das ganze Hotel "airconditioned" sei und sich die Fenster nicht öffnen ließen. Eigene Nachforschungen ergaben dann, daß sich im zweiten Stock ein aufklappbares Fenster befand, doch dieses war in einer Höhe von über 1,80 m und so etwas schwer zu erreichen. Doch schnell wurden ein Tisch und Stühle organisiert und der Kardinal sowie mein Vater in die Höhe gehoben und sobald sie nach außen sichtbar waren, wurde erneut die Hymne angestimmt.
(Walburga Douglas, Stephan Baier (Hrsg.): Otto von Habsburg. Ein souveräner Europäer; Amalthea 1997)
Mislav Jezic: Der Freund Kroatiens (Auszug)
Wie es in einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" hieß, hatte der Kaisersohn den Mut und die Geduld, mit dem kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman während des Luftalarms in einen Zufluchtsort zu gehen und über die politische Lage und die Aussichten zu diskutieren. Während der Bombardements kam er mehrmals nach Karlovac oder Sisak, um die Lage an Ort und Stelle kennenzulernen. Und als die offiziellen Vertreter der europäischen Regierungen nicht wagten, die Kriegsgebiete zu besuchen, fragten die Bürgermeister und die Bürger der belagerten Städte den Erzherzog mit Furcht nach seiner Sicherheit, und weshalb er während der kriegerischen Operationen komme. Und er antwortete lächelnd und unbesorgt: "Wann sollen die Freunde kommen, wenn nicht in der Not?"
Diese wahrhaft aristokratische Haltung konnte der Erzherzog auch seinen Söhnen vermitteln, mit denen er in unsicheren Zeiten Zadar und Dubrovnik besuchte. Dabei explodierte einmal unweit von ihnen und seiner kleinen Enkelin Eleonore Jelena bei der Wiedereröffnung des Dubrovniker Flughafens eine Bombe. Diese erwähnte Haltung war aber offenbar für die meisten Regierungen und Politiker des offiziellen Europa (mit ehrenvollen Ausnahmen) zu schwer zu erlernen - wahrscheinlich entweder weil Europa schon zu "demokratisch" für aristokratische Tapferkeit geworden ist, oder weil der Wert der Freiheit nur im Begriff des "freien Marktes" überlebt hat.
(Walburga Douglas, Stephan Baier (Hrsg.): Otto von Habsburg. Ein souveräner Europäer; Amalthea 1997)
Asztrik Várszegi: Ein Portait aus christlicher Sicht (Auszug)
In einem mittelalterlichen Text würde sein Lebenslauf so lauten:
"Otto stammt von dem tiefgläubigen, gottesfürchtigen und heiligmäßigen Vater Karl, Kaiser und König der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, und von der ebenfalls tiefgläubigen, die Gesetze der Kirche Christi einhaltenden Mutter, Kaiserin und Königin Zita. Sein Vater zeigte mit dem Beispiel seines Lebens und der an ihn lebendig gebliebenen Erinnerung seinem Sohn den Weg in den katholischen Glauben; seine Mutter wollte das gleiche mit konsequenter und sorgfältiger Erziehung in ihren Sohn einpflanzen. Der gute Samen fiel in gute Erde und hat in der Seele des Jungen, während er heranwuchs, vielfache Früchte gebracht. Die sorgfältige Erziehung hat im Kind die Schatzkammern der katholischen Kirche aufgeschlossen, hat ihm die Werte der menschlichen Kultur bekannt gemacht und hat ihn in die ehrwürdigen Traditionen der Familie mit ihrer großen Vergangenheit eingeführt. Das sensible und empfängliche, vielfach begabte, begnadete Kind wollten sie auf ein hartes Leben als Herrscher der aus vielen Völkern bestehenden und mit tausend Sorgen kämpfenden Monarchie so vorbereiten, daß er während seines Lebens und seiner Arbeit nie jenen vergessen, von dem alle Macht im Himmel und auf der Erde stammt."
(Walburga Douglas, Stephan Baier (Hrsg.): Otto von Habsburg. Ein souveräner Europäer; Amalthea 1997)
Bernd Posselt: Eine Vision, die jeder teilen kann (Auszug)
Ähnliches vollzog sich, als Otto von Habsburg am 10. Juni 1979 ins Europäische Parlament einzig. Einer seiner ersten Anträge, wenn nicht gar der erste überhaupt, sprach von einem drohenden Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan, mit allen verhängnisvollen Folgen, die ein Besatzungsregime der Roten Armee auf dem Dach der Welt haben könnte. Die Kollegen, die an ganz anderen Themen interessiert waren, gaben ihm eher milde lächelnd nach, und im Dezember 1979 wurde die entsprechende Resolution im Straßburger Kuppelsaal verabschiedet. Wenige Wochen später brach die Invasion wirklich über Afghanistan herein, und US-Präsident Carter wie auch der deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt erklärten, sie seien restlos überrascht. ...
Sein Gottvertrauen gab ihm in all den Jahrzehnten die Kraft, Mißerfolge zu überstehen und - was in der Politik oft noch schwerer ist - mit Erfolgen fertig zu werden. Die Propheten des Alten Testamentes hatten ihre Gabe nicht sich selbst zu verdanken, sondern der Gnade Gottes. Die Überzeugung, daß dieses "Gottesgnadentum" - unabhängig von Kategorien wie Erfolg - in unterschiedlichen Formen jedem geschenkt wird, der glaubt und sich bemüht, seine Pflicht zu tun, ist die eigentliche Vision des christlichen Paneuropäers Otto von Habsburg, eine Vision, die jeder teilen kann.
(Walburga Douglas, Stephan Baier (Hrsg.): Otto von Habsburg. Ein souveräner Europäer; Amalthea 1997)
Siegbert Alber: Das Phänomen des Parlaments (Auszug)
Es sollen einmal beim Landeanflug und beim Start zwei Flugzeuge zusammengestoßen sein; in beiden sei der reisefreudige Genscher gesessen. Bezogen auf unseren Jubilar könnte man sagen, daß einmal an drei verschiedenen Orten die Vortragssäle abgebrannt seien; in allen dreien habe Otto von Habsburg zur gleichen Zeit gesprochen. ...
Otto von Habsburg ist, wie gesagt, ein Phänomen. Für Europa und die Europapolitik wäre es gut, gäbe es mehr von seiner Art. Doch zu Recht ist das Klonen von Menschen nicht erlaubt. Das Gute an diesem Verbot ist auch, daß dadurch Persönlichkeiten wie er einmalig bleiben. Aber wie alles ist auch dies nach Albert Einstein relativ. Es gibt ja inzwischen selbst ohne Klonen schon zwei von Habsburg im Europäischen Parlament: Vater und Sohn, wiederum ein Phänomen.
Trotzdem, Otto von Habsburg ist und bleibt einmalig, zumal er auf ein großes Lebenswerk zurückblicken kann. Wenn er auch nicht wie sein großer Ahnherr Karl V. sagen kann: "In meinem Reich geht die Sonne nicht unter", so kann er doch von sich selbst sagen, daß er nicht untergehen wird. Und dies ist fast noch mehr.
AEIOU, Austria est imperare orbi universo (Alles Erdreich ist Österreich untertan) lautete der berühmte Leitspruch Kaiser Friedrichs III. Für uns aber heißt AEIOU ganz einfach: Als Europäer ist Otto unersetzlich oder unverwechselbar oder unverwüstlich oder unvergleichlich oder unerreichbar.
(Walburga Douglas, Stephan Baier (Hrsg.): Otto von Habsburg. Ein souveräner Europäer; Amalthea 1997)
Ursula Schleicher: Europäer durch und durch (Auszug)
Selbst unsere Dolmetscher gerieten ins Schwitzen, als er sich im Plenum der lateinischen Sprache bediente und damit den Beweis erbrachte, daß Latein keine tote Sprache sein müßte. ...
So rief er einmal im Plenarsaal am Anfang seiner Rede aus: "Sehr geehrter Herr Präsident, hochverehrte leere Bänke!"
Es blieb auch nicht aus: daß man über ihn lustige Geschichten erfand. So wurde behauptet, anläßlich eines Fußballspiels habe sich Otto von Habsburg nach den Spielern erkundigt. Ihm wurde sachgemäß mitgeteilt "Österreich/Ungarn". Die Geschichte behauptet dann, Otto von Habsburg habe nachgefragt: "Und gegen wen?"
(Walburga Douglas, Stephan Baier (Hrsg.): Otto von Habsburg. Ein souveräner Europäer; Amalthea 1997)
Maurice Druon: Monsieur von Habsburg (Auszug)
Monsieur von Habsburg wurde erzogen, um - wie es seine Abstammung vorschrieb - Souverän des Reiches zu werden, und er zeigte offensichtlich eine natürliche Fähigkeit für das Erlernen von Sprachen. Er wäre übrigens ein ausgezeichneter Herrscher geworden, wie sein ganzes Leben durch seine Qualitäten, Eignungen und Fähigkeiten beweist, von denen er Zeugnis abgelegt hat: Überlegung, Weisheit, Würde, weitreichende Kenntnisse, Verständnis, Hingabe an die Familie, Aufmerksamkeit für andere, Höflichkeit, Treue gegenüber den Traditionen, Scharfblick bezüglich der technischen und sozialen Entwicklungen.
(Walburga Douglas, Stephan Baier (Hrsg.): Otto von Habsburg. Ein souveräner Europäer; Amalthea 1997)
Thomas Chaimowicz: Mehr als ein Akademiker (Auszug)
Abschließend möchte ich mich in meinem persönlichen Urteil über den Jubilar den Worten unseres gemeinsamen, im Frühjahr 1994 verstorbenen Freundes, Dr. Russell Kirk, anschließen, die sich im posthum erschienenen Buch "The Sword of Imagination" befinden, der den Erzherzog als einen "de iure Emperor" betrachtete. Der Verlust der Imagination, der Fähigkeit, mit gezügelter Phantasie zu denken, ist ein Zeichen dieser Zeit. In der Person des menschlich so liebenswerten, am Leid seiner Mitmenschen Anteil nehmenden Erzherzogs ist diese seltene Gabe, verbunden mit großem Wissen, in hohem Maße vorhanden. Er ist eben mehr als ein Akademiker, er ist ein denkender, wissender und verehrungswürdiger Mensch; einer der letzten Ritter, mehr als ein Akademiker.
(Walburga Douglas, Stephan Baier (Hrsg.): Otto von Habsburg. Ein souveräner Europäer; Amalthea 1997)
Ingo Friedrich: Wie der Zeiger eines Kompasses (Auszug)
Wer Otto von Habsburg früh, lang vor Beginn der Sitzungen, auf den Gängen des Parlaments trifft und mit ihm einige Gedanken austauscht, merkt: zu diesem frühen Zeitpunkt hat er bereits mehrere internationale Zeitungen gelesen, er hat englische, französische, deutsche und oft sogar osteuropäische Nachrichten gehört. Oft hat er bereits um 9 Uhr die vorgesehenen Presseerklärungen und die erforderlichen parlamentarischen Stellungnahmen im Kopf. Wer Otto von Habsburg also mit Nachrichten überraschen will, muß im wahrsten Sinne des Wortes noch früher aufstehen. ...
Das führt zu einem Informationsvorsprung und zu dem Faktum, daß man ihn praktisch nie uninformiert vorfindet. Ganz im Gegenteil ist er es, der schon, bevor es in irgendeiner Zeitung zu lesen ist, fragt: "Wie meinen Sie, Herr Kollege, sollten wir auf diese Entwicklung reagieren?" ...
Was er "auf den Tod" nicht leiden kann, sind wichtigtuerische Sprechblasen, gequälte Gespreiztheit oder langes und gestelztes Drumherum-Reden, das Bedeutung vortäuschen soll. ...
Schließlich sei seine liebenswürdige, bei Politikern seltene Fähigkeit genannt, die eigene Person hinter die Sache zurückzustellen. Als ich ihm einmal sagte, ich hätte in meiner Jugendzeit immer davon geträumt, neben einem der ganz Großen arbeiten zu können und dieser Traum habe sich jetzt erfüllt, fragte er völlig arglos "Ja, mit wem sind Sie denn jetzt so eng zusammen?" Meine Antwort "Ja, mit Ihnen, Kaiserliche Hoheit!" überraschte ihn, und er lächelte "Na, übertreiben Sei da nicht?"
(Walburga Douglas, Stephan Baier (Hrsg.): Otto von Habsburg. Ein souveräner Europäer; Amalthea 1997)
Severin Meister: Mein Großvater (Auszug)
Gerade in diesem Zusammenhang bewundere ich immer wieder, daß mein Großvater einfach jede Frage und jedes Problem ernst nimmt und daher genauso gerne zu einem Industrieverband wie in einer Bauernkneipe oder in einem Altersheim spricht. Er ist stets freundlich zu allen Leuten und wahrt doch eine bestimmte Distanz zu ihnen. Er beantwortet eigenhändig die zighundert Briefe, die er jeden Tag erhält und unterschreibt sie. Als ich ihn einmal fragte, warum er das tue, antwortete er einfach: "Wenn mich auf der Straße jemand grüßt, so grüße ich ihn ja auch zurück." ...
Passenderweise hängt an der Tür zu seinem Arbeitszimmer ein Schild mit der Aufschrift: "Wenn Sie nichts zu tun haben, bitte tun Sie es nicht hier!" ... Nach dem Motto: "Lieber eine Viertelstunde zu früh als auch nur fünf Minuten zu spät" kommt er immer rechtzeitig an. ...
(Walburga Douglas, Stephan Baier (Hrsg.): Otto von Habsburg. Ein souveräner Europäer; Amalthea 1997)
Regina von Habsburg und Walburga Douglas: Der Mensch Otto von Habsburg (Auszug)
Im wesentlichen waren es zwei Hauptmaximen, die er in der Erziehung zu verwirklichen suchte: Er lebte den Kindern den katholischen Glauben vor und war immer bereit, mit ihnen über theologische und religiöse Fragen zu diskutieren, die er dann altersgerecht beantwortete, und er schaffte es, zwischen allen Kindern Verbindungen zu knüpfen, die über rein geschwisterliche Beziehungen hinausgehen. ...
Charakteristisch für Otto von Habsburgs Lebens- und Arbeitsstil ist seine ungeheure Selbstdisziplin. Er vergeudet während eines Arbeitstages keine zwei Minuten: "In der Zeit, die andere vertrödeln, weil sie auf Busse, auf Züge oder auf Besprechungen warten, schreibe ich Bücher, Hintergrundberichte und meine wöchentlichen Artikel." ...
Einmal kam er am Abend sehr spät nach Straßburg, alle Stammrestaurants hatten schon zu, das einzig offene Lokal war der "McDonalds" im Centre Halles. Walburga holte an der Theke zwei "Big Mac" und zwei Orangensäfte und machte sich rasch darüber her. Otto von Habsburg fragte: "Wo sind Messer und Gabel?" Als diese Frage an das Personal weitergegeben wurde, bekam er tatsächlich ein überdimensionales Küchenbesteck - anderes gab es dort nicht. ...
Die moderne Technik macht ihm großen Spaß, solange er sie nicht selbst anwenden muß. Seine Sekretärinnen schreiben mit Schreibautomaten, einer seiner Enkel betreut die technische Seite seiner E-mail-Korrespondenz, seine Artikel werden mit Telefax verschickt. Selbst jedoch schreibt er auf einer mechanischen Schreibmaschine - und zwar blitzschnell und fast fehlerfrei, mit zwei Fingern.
(Walburga Douglas, Stephan Baier (Hrsg.): Otto von Habsburg. Ein souveräner Europäer; Amalthea 1997)
Stephan Baier: Otto von Habsburg (Auszug)
Bernd Posselt, langjähriger Assistent Otto von Habsburgs, erzählt in diesem Film, wie sein Chef morgens um vier Uhr aus einer vielstündigen Abstimmung gekommen sei und geschimpft habe: "Wenn das so weitergeht, dann werde ich auf meine alten Tage noch Monarchist!" ...
Am frühen Morgen des 20. November feierte ein Vertreter des Heiligen Stuhls im winzigen Meditationsraum des Europaparlamentes eine Messe zu Ehren des Jubilars. Der wäre - was ihm Anstand und Frömmigkeit verboten - am liebsten zur "Halbzeit" weggelaufen, da gleichzeitig eine Sitzung der Koordinatoren für die Dringlichkeitsdebatte stattfand. Doch als er nach Abschluß der Messe in den Sitzungssaal stürmte - welche Überraschung: Alle erhoben sich und sangen ein Geburtstagsständchen. Als Geschenk gab es zwei Minuten Redezeit zur Lage in der Slowakei!
(Paneuropa-Österreich Nr. 12/1997)
Als weiterführende, erstklassige Literatur wird empfohlen:
Erich Feigl: Otto von Habsburg - Profil eines Lebens (Amalthea, 1992)
Walburga Douglas / Stephan Baier (Hrsg.): Otto von Habsburg - Ein souveräner Europäer (Amalthea, 1997)
Stephan Baier / Eva Demmerle: Otto von Habsburg - Die Biografie (Amalthea, 2002)
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