Heimat-Gedichte


Bei uns daheim

Bei uns daheim - ich hab ihn selber noch besessen -
da hatte jeder seinen Heimatschein;
dort trug - ich kann es nicht vergessen -
man groß mein Dorf und meinen Namen ein.

So konnten wir einander nicht verlieren.
Ich hatte meiner Heimat Ehrenwort:
Wohin das Schicksal mich auch mochte führen,
mein kleines Dorf war meiner Zuflucht Hort.

Mein kleines Dorf, dem ich so tief verbunden -
mein Vaterhaus, die Schule, der Altar -
zu dem in Freud und Leid ich heimgefunden,
das meiner Kindheit Himmelswiese war!

Ich war sein Sohn. Mein waren seine Fluren,
der Bach, die Wälder und das Weizenfeld ...
Ich trag sein Bild und alle seine Spuren
in meinem Herzen durch die ganze Welt.

Doch wenn mich einst das Schicksal schütteln sollte,
ich bettelarm und krank und ganz allein,
und ich mich hoffend heimwärts wenden wollte,
wie mir gelobt mein alter Heimatschein ....

Ich finde nicht einmal mehr seinen Namen;
mein Dorf ist tot. - O Herr, gib uns Geduld
und denen, die im Unrecht nach uns kamen,
vergib, o Vater, gnädig ihre Schuld!

Der Heimatschein

Im Schrank, in einer Lade,
vergilbt, ein Heimatschein
mit meines Vaters Namen
und dem von Neutitschein.

Er hielt ihn stets in Ehren,
betrachtete ihn stumm,
mein Vater. Und er wußte:
Zertretenes Heiligtum.

Der Schein in meinen Händen,
nur eine Illusion?
Auch Recht muß sich vererben
vom Vater auf den Sohn.

Ich zeig´ ihn unseren Kindern,
Großvaters Heimatschein,
und ihre Herzen ahnen
das Leid um Neutitschein.


10. Oktober
(Am 10. Oktober 1938 besetzte die Deutsche Wehrmacht
Neutitschein und das Kuhländchen.)

Nach langer Knechtschaft endlich frei
und Deutschland unsrer Sehnsucht Ziel.
Durchs ganze Land ein einz´ger Schrei! ---
Den Mächtigen war´s nur ein Spiel.

Der Jubel, der zum Himmel klang,
er war so ehrlich und so groß,
daß er durch Herz und Seele drang.
Welch eine Tragik! Welch ein Los!

Das Vaterland im großen Raum,
erhofft als wahren Friedens Gut,
zerbrach, zerbarst, gewonnen kaum ...
Nur Trümmer, Tränen, Haß und Blut.

Und Du und ich? Wem blieb die Wahl?
Wem tu der Seele Leid ich kund?
Und doch, wir leben ohne Qual.
Gott war mit uns; mit uns im Bund.

Deutschland

Besiegt und ohne Rechte,
selbst Gutes ward verbannt,
gezählt nur alles Schlechte
in dem verlor´nen Land.

Besiegt und ohne Frieden
und schuld an allem Leid,
das dieser Welt beschieden
in der Vergangenheit.

Besiegt und vor Gerichte;
und selbst der letzte Ahn
trägt Schuld vor der Geschichte,
die er nicht ändern kann.

Besiegt! Und doch erstanden
mit Mut und Zuversicht
in neu erblühten Landen
in wahrem Friedens Licht.


Diese Gedichte wurden mit freundlicher Genehmigung des Neutitscheiners Ewald Jahn veröffentlicht.
Sie entstammen den Büchern:

- Ewald Jahn: Heimat im Herzen, Druckerei Kurt Urlaub, Bamberg, 1981
- Ewald Jahn: Frieden spüren, Druckerei Kurt Urlaub, Bamberg, 1994

Letzte Änderung am Sonntag, 17. Februar 2002.