Habsburgergesetz

Gesetz vom 3. April 1919,
betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens
des Hauses Habsburg-Lothringen,
StGBl. 1919/209 idF. BVG BGBl. 1963/172


I. Abschnitt

§ 1.
1. Alle Herrscherrechte und sonstige Vorrechte des Hauses Habsburg-Lothringen sowie aller Mitglieder dieses Hauses sind in [Deutsch]Österreich für immerwährende Zeiten aufgehoben.
2. Verträge über den Anfall von Herrscherrechten über das Gebiet der Republik [Deutsch]Österreich sind ungültig.

§ 2.
Im Interesse der Sicherheit der Republik werden der ehemalige Träger der Krone und die sonstigen Mitglieder des Hauses Habsburg-Lothringen, diese, soweit sie nicht auf ihre Mitgliedschaft zu diesem Hause und auf alle aus ihre gefolgerten Herrschaftsansprüche ausdrücklich verzichtet und sich als getreue Staatsbürger der Republik bekannt haben, des Landes verwiesen. Die Festsetzung, ob diese Erklärung als ausreichend zu erkennen sei, steht der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates zu.

§ 3.
Der Gebrauch von Titeln und Ansprachen, die mit den Bestimmungen des § 1 im Widerspruch stehen, ist verboten. Eide, die dem Kaiser in seiner Eigenschaft als Staatsoberhaupt geleistet worden sind, sind unverbindlich.

§ 4.
In der Republik [Deutsch]Österreich ist jedes Privatfürstenrecht aufgehoben.


II. Abschnitt

§ 5.
Die Republik [Deutsch]Österreich ist Eigentümerin des gesamten in ihrem Staatsgebiet befindlichen beweglichen und unbeweglichen hofärarischen sowie des für das früher regierende Haus oder für eine Zweiglinie desselben gebundenen Vermögens.

§ 6.
Als hofärarisches Vermögen gilt das bisher von den Hofstäben und deren Ämtern verwaltete Vermögen, soweit es nicht ein für das früher regierende Haus oder für eine Zweiglinie desselben gebundenes Vermögen oder aber nachweisbar freies persönliches Privatvermögen ist.

(1) Als hofärarisches Vermögen gilt das bisher von den Hofstäben und deren Ämtern verwaltete Vermögen auch dann, wenn dessen Anschaffung aus den Mitteln der Zivilliste erfolgt ist.

(2) Solange der Nachweis der Zugehörigkeit eines von den Hofstäben und deren Ämtern verwalteten Vermögens zum freien persönlichen Privatvermögen nicht durch Anerkenntnis der zuständigen staatlichen Stelle oder durch rechtskräftiges richterliches Urteil erbracht ist, darf die Staatsverwaltung auch über solche Gegenstände, welche als freies, persönliches Privateigentum in Anspruch genommen werden, frei verfügen, ohne daß, wenn später die Eigenschaft als Privatvermögen festgestellt wird, dem Eigentümer ein anderer Anspruch als jener auf Übergabe des betreffenden Vermögensstückes seitens der Staatsverwaltung an ihn oder des Wertes derselben im Zeitpunkte des Inkrafttretens des Gesetzes vom 3. April 1919, St.G.Bl. Nr. 209, zusteht. Als für das früher regierende Haus oder für eine Zweiglinie desselben gebundenen Vermögen gilt das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen, welches nicht hofärarisches Vermögen (Absatz 1) oder nachweislich freies persönliches Privateigentum eines Mitglieds des früher regierenden Hauses oder einer Zweiglinie desselben ist. Zu diesem gebundenen Vermögen gehören insbesondere die nachstehenden, von der vormaligen "Generaldirektion der Privat- und Familienfonds Seiner k. und k. Apostolischen Majestät" derzeit "Generaldirektion der Habsburg-Lothringenschen Vermögensverwaltung" verwalteten Vermögensmassen:

a) der Familien- und der Avitikalfonds,
b) das Primogenitur-Familienfideikommiß der Sammlungen des Erzhauses,
c) die Familienfideikommißbibliothek,
d) das Falkensteinsche Fideikommiß,
e) das Kaiser Franz Joseph I.-Kronfideikommiß des Erzhauses Habsburg-Lothringen,
f) die Hofbibliothek.

(3) Aufgrund dieses Gesetzes ist in den öffentlichen Büchern über das Grundeigentum (Landtafeln, Grundbücher) das Eigentumsrecht zugunsten der Republik Österreich an allen unbeweglichen Gütern grundbücherlich einzuverleiben, welche zu dem für das früher regierende Haus oder für eine Zweiglinie desselben gebundenen Vermögen gehören. Insbesondere ist in den öffentlichen Büchern das grundbücherliche Eigentumsrecht zugunsten der Republik Österreich an allen Liegenschaften einzuverleiben, welche derzeit in den öffentlichen Büchern als Eigentum des kaiserlichen Familienfonds, des kaiserlichen Avitikalfonds, des Kaiser Franz Joseph I.-Kronfideikommisses und des Erzherzog Friedrich-Fideikommisses einverleibt sind, und zwar unter gleichzeitiger Löschung aller auf den unbeweglichen Gütern haftenden Eigentumsbeschränkungen, insbesondere des Fideikommißbandes.

§ 7.
(1) Das Reinerträgnis des auf Grund dieses Gesetzes in das Eigentum der Republik Österreich gelangenden Vermögens ist nach Abzug der mit der Übernahme dieses Vermögens verbundenen oder dem Staate durch diese Übernahme erwachsenden Lasten zur Fürsorge für die durch den Weltkrieg in ihrer Gesundheit geschädigten oder ihres Ernährers beraubten Staatsbürger zu verwenden.

(2) Die von den früheren Inhabern des gebundenen Vermögens über dessen Erträgnisse getroffenen Verfügungen, insbesondere Anweisungen von Apanagen an Mitglieder des vormaligen regierenden Hauses oder von Stipendien werden außer Kraft gesetzt, soweit sie sich nicht auf Erträgnisse vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 3. April 1919, St.G.Bl. Nr. 209, beziehen.

(3) Aufwendungen der bisherigen Fideikommißinhaber für das gebundene Vermögen sind von der Republik Österreich nicht zu ersetzen.

§ 8.
Mit dem Vollzuge dieses Gesetzes sind der Staatskanzler, der Staatssekretär für Finanzen und der Staatssekretär für soziale Verwaltung betraut.
Anmerkung: Heute: Bundeskanzler, Bundesminister für Finanzen und Bundesminister für soziale Verwaltung.

§ 9.
Dieses Gesetz tritt am Tage seiner Kundmachung in Kraft.
Anmerkung: Das Gesetz wurde am 10.04.1919 kundgemacht und durch Art. 149 Abs. 1 B-VG 01.10.1920 BGBl. 1 (Bundes-Verfassungsgesetz) mit Verfassungsrang ausgestattet.

Seitz m.p.
Renner m.p.     Schumpeter m.p.
                  Hanusch m.p.

Letzte Änderung am Dienstag, 1. Januar 2002.